Erzbischöfliche St.-Anna-Schule

13/ 14/ 15

von S.L.

13, 14, 15. So alt sind sie für gewöhnlich, wenn sie sich die Haare abschneiden.
Es ist nichts Wildes, nichts, womit sie das Risiko eingingen, sich von der Masse abzuheben. 
Die meisten lassen sie sich auf Schulterhöhe kürzen. 

Und so hängen ihre Haare dann von ihren Köpfen herunter. Leblos und in dicken Strähnen sieht es bei blonden Haaren aus wie Eigelb, das in Richtung Boden tropft.
Es ist das Verlangen nach Veränderung und die Angst vor Veränderung, die sie dazu bringt.
Die beste Freundin lässt sie weit hinten zurückfallen, in Intelligenz, Humor und Schönheit. Sie wird regelrecht vergöttert, in der Klasse, der Stufe, und sie selbst steht daneben und braucht sich nicht zu fragen „Was hat sie, was ich nicht habe?“, denn es ist so offensichtlich.
Und da kommt ihr der Gedanke - sie muss etwas verändern. Unerwartet. Regelrecht radikal. Die Köpfe sollen sich nach ihr umdrehen. Sie will nicht länger Durchschnitt sein.
Und weil die Gesellschaft es Mädchen mit unendlicher Ausdauer langsam, aber sicher in den Kopf sickern lässt, dass langes Haar ein Zeichen der Schönheit ist - nein, vielmehr, dass kurzes Haar kein Zeichen von Schönheit sein kann, denken sie, sich die Haare abzuschneiden, ist ein Zeichen unglaublichen Mutes. Man ist eine so große Rebellin, wenn man zeigt, dass es einem egal ist, was die Jungs von einem denken. Man lehnt sich gegen das System auf.
An diesem Gedanken hält sie sich fest wie eine Ertrinkende, als sie da auf dem Friseurstuhl hockt. Das grelle Licht hebt die Akne hervor, die sie verzweifelt versucht, mit billigen Drogerieprodukten zu bekämpfen, und die kalt glänzende Schere der Frisöse bahnt sich einen Weg in die mausbraunen Längen.
Reue, bereits nach dem ersten Schnitt. Sie hätten genauso gut ein Stück ihres Fleisches herausschneiden können. Ihre Haare verdecken jetzt kaum mehr das Schlüsselbein, zur Schau gestellt mit einem Top, das die nicht vorhandene Oberweite jedem zeigt, der es will- sie ist gerade einmal dreizehn.
Sie sind zu alt, um Kind zu sein, und für sie ist die logische Schlussfolgerung, dass sie damit ein junges Mädchen sind.
Sie läuft nach Hause, und die kurzen Strähnen kitzeln ihren Hals, jetzt, wo sie nicht länger hinten bleiben. Sie fühlt sich nicht gut. Das Gefühl, eine Rebellin zu sein, eine tiefe Befriedigung, die sich vor dem Haarschnitt noch angenehm schwer und tief in Herz und Magengrube gelegt hatte, ist verschwunden.
Als sie sich am nächsten Morgen die Haare bürstet, wird es noch deutlicher; ruckartig fällt die Hand mit der Bürste ein Stück weiter nach unten, sobald das nach Chemie riechende Plastik die Haare verlässt und sie somit keinen Halt mehr hat. Sie war es gewohnt, jeden Morgen eine fast doppelt so lange Mähne zu entknoten.
Und in der Schule dreht sich niemand nach ihr um.

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